Doktorarbeit
Applying regional climate change projections for spatio-temporal risk analyses of vector-borne diseases
Dominik Fischer (08/2008-08/2011)
Betreuer: Carl Beierkuhnlein, Thomas Nauß, Konrad Dettner, Björn Reineking
Bei vorliegender Dissertation handelt es sich um eine Abhandlung zu vektor-assoziierten Krankheiten in Zeiten des Klimawandels. Bei vektor-assoziierten Krankheiten wird ein Pathogen durch einen Vektor (Überträger), auf ein Wirtstier übertragen. Als Vektor agieren meist Arthropoden die sich mit dem Pathogen infizieren können, jedoch meist nicht selbst erkranken. Aus verschiedenen Gründen gelten diese übertragbaren Infektions-krankheiten als besonders sensibel hinsichtlich klimatischer Veränderungen. Entscheidend ist, dass Arthropoden ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln können und zudem bestimmte Temperaturansprüche zur Pathogenentwicklung im Vektor erfüllt sein müssen. Das Klimaänderungssignal des 21. Jahrhunderts wird von Klimamodellen in verschie-denen räumlichen und zeitlichen Auflösungen wiedergegeben. Die Projektionen beruhen auf Emissionsszenarien klimawirksamer Treibhausgase. In der Arbeit werden die Einsatzmöglich-keiten von regionalen Klimamodellen zur Gefährdungsabschätzung anhand verschiedener Fallbeispiele aufgezeigt. Die deutlich bessere Performance regionaler Klimamodelle im Vergleich mit globalen Modellen, empfiehlt diese für genauere Gefährdungsanalysen von vektor-assoziierten Krankheiten auf kleineren räumlichen Skalen. Der Nutzen und die Einsatzmöglichkeiten regionaler Klimamodelle werden einführend aufgeführt (Artikel 1). Für die Risikoanalysen werden in dieser Arbeit die regionalen Klimamodelle REMO und COSMO-CLM angewandt, die durch dynamisches „Downscaling“ globaler Modelle generiert wurden. Beide sind in ihrem neuesten Prozesslauf in das globale Modell ECHAM5 eingebettet. Der direkte Übertrag bekannter Temperaturansprüche von Vektor und/oder Pathogen auf künftig zu erwartende Bedingungen stellt den ersten methodologischen Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Eine Amplifikation des Dengue-Virus im Überträger der Stechmücke Aedes aegypti könnte demnach zunächst in Südeuropa, im weiteren Verlauf des 21. Jhd. aber auch in weiteren europäischen Regionen möglich sein und damit eine zunehmende Gefährdung darstellen. Ab der Jahrhunderthälfte kann das Risiko beispielsweise auch für Mitteleuropa nicht mehr länger ausgeschlossen werden. Weiterhin verdeutlichen die Ergebnisse, dass sich auch das Zeitfenster einer potentiellen Übertragung des Dengue-Virus verlängern kann (Artikel 2). Durch das Überlagern der bekannten Temperaturansprüchen von Sandmücken (Gattung Phlebotomus) und der von ihnen übertragbaren Erreger - Leishmania infantum Komplex - können potentielle Regionen Deutschlands identifiziert werden, in denen einer autochthone Übertragung der Leishmaniose möglich ist. Es ist zu erwarten, dass ab Mitte des Jahrhunderts ein solches Risiko in südwestlichen und westlichen Regionen Deutschlands bestehen wird. Für das ausgehende 21. Jhd ist anzunehmen, dass sich auch für eher nördlich und östlich gelegene Regionen das Risiko erhöhen wird (Artikel 3). Der zweite innerhalb dieser Arbeit gewählte methodologische Ansatz (Artikel 4 bis 6) zeigt die Einsatzmöglichkeiten regionaler Klimaprojektion für die bioklimatische Nischen-modellierung von Krankheitsüberträgern auf. Die anhand statistischer Verfahren ermittelte bioklimatische Nische der jeweiligen Art wird hierbei auf zukünftig zu erwartende klima-tische Bedingungen übertragen. Anhand dieser Analyse kann aufgezeigt werden, dass sich die klimatische Eignung für die invasive Stechmücke Aedes albopictus (Überträger mehrere humanpathogener Viren) zunächst in westlichen Regionen Europas (insbesondere Frankreich) verbessern wird und ab Mitte des Jahrhunderts auch größere Bereiche Mitteleuropas klimatisch gesehen für eine Etablierung der Art geeignet erscheinen. Ende des Jahrhunderts werden sich osteuropäische Regionen geeignete Bedingungen bieten, während das Klima in Teilen der Mittelmeerregion eher ungeeigneter wird (Artikel 4). Der Transfer der ermittelten spezifischen klimatischen Nische ausgewählter Sandmücken-Arten (u.a. Überträger der zum Leishmania-Komplex zählenenden Pathogenen) auf künftige Bedingungen lässt vermuten, dass deren klimatische Eignung in Mitteleuropa - abgesehen von alpinen Regionen - zuneh-men wird. In Deutschland werden die günstigsten klimatischen Bedingungen voraussichtlich Ende des 21. Jhd. gegeben sein. Künftige potenzielle Ausbreitungswege der Sandmücken in einer sich verändernden Umwelt, werden via “least-cost analysis“ ermittelt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass aufgrund der eingeschränkten natürlichen Ausbreitungsfähigkeit, einige der künftig potenziell geeigneten Lebensräume nicht erreicht werden (Artikel 5 und 6). In den verschiedenen Fallstudien kann gezeigt werden, dass die zu erwartenden klima-tischen Veränderungen im 21. Jhd. eine mögliche Ausbreitung der in dieser Arbeit adressier-ten Vektoren und vektor-assoziierter Krankheiten in Europa begünstigen werden. Als einheitliche Tendenz kann speziell für Mitteleuropa festgehalten werden, dass sich die Ge-fährdung, Ende des 21.Jhd. erhöhen wird. Dies begründet sich höchstwahrscheinlich durch die projizierte raschere Erwärmung in der zweiten Jahrhunderthälfte. Abschließend bleibt jedoch festzuhalten, dass es neben klimatischen Veränderungen weitere Faktoren für die Ausbreitung bzw. Neuetablierung von Vektoren und den damit verbundenen übertragbaren Infektionskrankheiten ausschlaggebend sind. Der Einfluss einzelner Faktoren auf die Etablierung bzw. Ausbreitung vektor-assoziierte Krankheiten variiert auf raum-zeitlichen Skalen. Insofern wird eine skalen-abhängige Risikoabschätzung vorge-schlagen, an deren Beginn klimatische Risikoanalysen gestellt werden sollten. Für die ermittelten klimatisch-abgeleiteten Risikogebiete müssen in Folgestudien auf kleineren Skalen wirksam werdenden Faktoren integriert werden (Artikel 7). Diese Ergebnisse können wiederum die Entwicklung von Surveillance- und Monitoringprogramme unterstützen, um somit Maßnahmen gegen die Ausbreitung von vektor-assoziierten Krankheiten initiieren zu können bzw. falls nötig, dabei helfen sich rechtzeitig an diese Gefährdung zu adaptieren.