Doktorarbeit
Eco-evolutionary responses of plants to spatial and temporal climatic variation
David Harter (07/2010-07/2015)
Betreuer: Carl Beierkuhnlein, Heike Feldhaar, Cyrus Samimi
Klimaänderungen in Raum und Zeit bestimmen die ökologische und evolutionäre Entwicklung von Pflanzen. Dies ist z.B. im Gefüge von Arten und ihrer funktionellen Eigenschaften entlang ökologischer Gradienten, in palynologischen Zeitreihen, phylogeographischen Mustern oder in Reaktionen von Pflanzen auf den derzeitigen Klimawandel erkennbar. Auf Grund der Geschwindigkeit, aber auch durch synergistisch wirkende anthropogene Stressoren sind die aktuellen und prognostizierten Klimaveränderungen in ihren Auswirkungen auf Arten und Ökosysteme außergewöhnlich. Diese Dissertation zielt auf eine Verbesserung des Verständnisses der Reaktionsvermögen von Pflanzen ab. Sie basiert auf sechs Manuskripten, die verschiedene Aspekte pflanzlicher Reaktionen auf Klimavariation untersuchen. Konzeptionelle, experimentelle, populationsund landschaftsgenetische Studien, phylogeographische Ansätze, genauso wie Feldarbeiten und biogeographische Musteranalysen werden kombiniert. Kontinentale Systeme auf verschiedenen Skalen, ozeanische Inseln aus einer globalen Perspektive und Fallstudien auf La Palma, Kanarische Inseln, werden bearbeitet. Ozeanische Inseln tragen stark zur globalen Biodiversität bei und spielen bis heute wichtige Rollen in der Biogeographie, Ökologie und Evolutionsforschung. Die Auswirkungen des Klimawandels auf diesen Inseln sind jedoch bisher kaum erforscht. Ein konzeptioneller Überblick in dieser Dissertation zeigt die vielen möglichen Folgen des anthropogen bedingten Klimawandels und deckt ein großes Bedrohungspotential auf ozeanische Inselfloren auf. Weiterhin werden Forschungslücken und –potentiale aufgezeigt. Klimatische und topographische Heterogenität innerhalb La Palmas wird als Treiber für Populationsstrukturen zweier Arten der evolutionär bedeutsamen Gattung Aeonium und für Verteilungen von Endemiten belegt. Dies betont die Bedeutung klimatischer Variation für Evolutionsvorgänge und die Erzeugung biogeographischer Muster. Selektionsheterogenität und divergente Anpassungen interagieren mit Effekten von Landschaftsstrukturen. Diese reichen vom Schutz lokaler Arten- und Genpools vor klimatischer Variabilität oder menschlichen Einflüssen in (Mikro-)refugien über Habitatvielfalt bis hin zur Erhöhung reproduktiver Isolation zwischen divergierenden Populationen. Phänotypische Plastizität ist eine direkte Reaktion auf Umweltänderungen und kann intraspezifisch variieren. Potentielle Verbindungen solcher Variation zur Historie von Populationen und deren resultierenden genetischen Aufstellung wird experimentell untersucht und diskutiert. Unter Extremwetterbedingungen tendierten genetisch diverse Populationen von Fagus sylvatica aus Regionen eiszeitlicher Refugien zu höherer Plastizität als Populationen aus wiederbesiedelten Regionen. Dies spricht für einen Einfluss phylogeographischer Historien von Populationen auf ihre Reaktionsfähigkeit gegenüber klimatischem Wandel und für eine Rolle von genetischer Diversität neben der Förderung genetischer Anpassung. In einer Studie zu Corynephorus canescens wird gezeigt dass phylogeographisch bedingte Muster genetischer Diversität durch Peripherie-Effekte im Verbreitungsgebiet modifiziert werden. Zusätzlich beeinflusst die ungewöhnliche Ökologie der Art ihre genetischen Strukturen. In Modellen genetischer Diversität müssen diese Faktoren bedacht werden, z.B. um öko-evolutionäre Reaktionsvermögen abzuschätzen. Weiterhin werden transgenerationale Effekte von Extremwetterereignissen auf perennierende Arten betrachtet. Veränderungen in Keimungszeiten und -erfolgen und Modifikationen im Wachstum und der Blatt-Stöchiometrie von Nachkommen Dürre- und Starkregen-exponierter Genista tinctoria- und Calluna vulgaris-Mutterpflanzen werden gezeigt. Perennierende Arten sind im Klimawandel auf Grund langer Generationszeiten und geringer Raten möglicher genetischer Anpassung und/oder Ausbreitung auf plastische Reaktionen angewiesen. Dies macht (adaptive) transgenerationelle Plastizität zu einem wichtigen Mechanismus für den Populations-Fortbestand, indem sie individuelle Fitness schon ab dem Sämlingsstadium erhöhen kann und neue selektionsrelevante Varianten erschaffen und evolutiven Wandel einleiten kann. Diese Dissertation erarbeitet einen konzeptionellen Überblick über pflanzliche Reaktionen auf klimatische Änderungen auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen. Sie konzentriert sich auf Prozesse und deren Treiber und die Einflüsse biogeographischer, evolutionärer, natürlicher und menschlicher Faktoren auf heutige und zukünftige Reaktionsvermögen und erhöht das mechanistische Verständnis von Klimawandelauswirkungen auf Pflanzen. Aus dieser Arbeit resultieren neue wissenschaftliche Fragen in der Klimawandelökologie und Inselbiologie, insbesondere zur Bedeutung und treibenden Kraft von Plastizität in Populationen und Arten in einer sich ändernden Umwelt, zu Landschaftseffekten auf evolutive Prozesse innerhalb einzelner Inseln und zu Klimawandelauswirkungen auf ozeanische Inseln.