Doktorarbeit
Springs as models to unveil ecological drivers and responses: Perspectives for ecosystem theory from neglected ecosystems
Andreas Schweiger (02/2013-02/2016)
Betreuer: Carl Beierkuhnlein, Konrad Dettner, Gregor Aas
Quellen sind semi-aquatische Ökosysteme, in denen kleinskalige Umweltbedingungen, welche die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften auf lokaler Ebene beeinflussen, stark mit den großskaligen Umweltbedingungen der umgebenden Landschaft verknüpft sind. Diese starke Kohärenz bietet experimentale Bedingungen um ökologische Theorien zur Funktionsweise von Ökosystemen zu überprüfen. Trotz ihres Modellcharakters sind Quellen in der ökologischen Forschung unterrepräsentiert und empirische Ansätze zur Überprüfung von generellen ökologischen Theorien fehlen gänzlich. Das Ziel dieser Dissertation, die insgesamt sechs Manuskripte umfasst, ist es das Verständnis um komplexe Ökosystemfunktionen über die Kombination von gemeinschafts- und ökosystem-ökologischen Ansätzen zu erhöhen. Die hierzu genutzte Datengrundlage umfasst aktuelle sowie vergangene Geländeerhebungen zu Quellwassercharakteristika und der Pflanzenartenzusammensetzung von helokrenen Waldquellen der deutschen Mittelgebirge. Dieser Langzeitdatensatz dokumentiert hierbei ökologische Reaktionen auf historische und rezente Umweltveränderungen über die letzten 25 Jahre. Den theoretischen Rahmen dieser Arbeit bildet die Theorie von komplexen adaptiven Systemen, die Ökosysteme als Kollektive biotischer Elemente definiert, welche sowohl untereinander also auch mit der abiotischen Umwelt auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen miteinander in adaptiver Weise interagieren. Fünf theoretische Hauptprinzipien werden identifiziert, die empirisch für Quellen als Modellökosysteme betrachtet werden: 1) Diversität und Organisation von Systemelementen (Arten, Artgemeinschaften), 2) Fluss, Verteilung und Interaktion von Information, Energie und Materie im System, 3) Stabilität ökologischer Reaktionen, 4) Skalenabhängigkeit und skalenübergreifende Ähnlichkeiten von ökologischen Mustern und Prozessen und 5) Pfadabhängigkeit und ökologisches Gedächtnis von Ökosystemen. Studien zur Diversität und Organisation der Quellpflanzengemeinschaften stellten drei hyper-dominante Arten heraus, welche das Aziditäts- und Temperaturregime der untersuchten Quellen signifikant widerspiegeln und drei Artgemeinschaften klar voneinander abgrenzen. Die nur wenig von der Jahrzehnte zurückliegenden, anthropogenen Versauerung beeinflussten Quellen werden hierbei von Chrysosplenium oppositifolium charakterisiert, während stark versauerte Quellen maßgeblich von Sphagnum-Moosen geprägt werden. Kühlere Quellen der Hochlagen werden durch Calamagrostis villosa charakterisiert. Die gering beeinflussten Quellgemeinschaften wiesen darüber hinaus eine sichtbar höhere Stabilität gegenüber dem klimatisch extremen Sommer 2003 auf als die deutlich durch Versauerung geschwächten Artgemeinschaften. In weiteren Studien zeigte sich, dass positive Rückkoppelungen zwischen historischer Versauerung und der biogenen Habitatmodifikation durch Sphagnum-Moose sich signifikant auf die Langzeitveränderungen der Quellartenzusammensetzung auswirken und somit den alternative Zustand der stark versauerten Quellen über Jahrzehnte hinweg stabilisieren können. Diese Beobachtungen verdeutlichen die signifikante Rolle von abiotisch-biotischen Interaktionen und des ökologischen Gedächtnisses dieser Ökosysteme. Darüber hinaus ließen sich starke skalenübergreifende Ähnlichkeiten in den realisierten Temperaturnischen der quellbewohnenden Pflanzenarten nachweisen, was im Gegensatz zu den meisten Beobachtung zur Skalenabhängigkeit von ökologischen Mustern und Prozessen steht. Als Erklärung hierfür diskutiere ich die Effekte von lokal konstanten Umweltbedingungen und starken skalenübergreifenden Verknüpfungen von mikro- und makroklimatischen Faktoren, beides Merkmale der untersuchten Quellen, auf das Auftreten von Skalenabhängigkeit ökologischer Muster. Neben den empirischen Betrachtungen umrahmen methodische Überlegungen zur Erhebung ökologischer Daten diese Dissertation, wie sie zum Testen und Fortentwickeln von ökologischen Theorien unabdinglich sind. Simulationen basierend auf künstlichen Daten zeigen, dass das Risiko statistisch basierter Fehlinterpretationen ökologischer Muster stark durch Ausmaß und Art des Umweltrauschens beeinflusst wird. Durch eine der ersten umfassenden Überprüfungen der Theorie von komplexen adaptiven Systemen für natürliche Ökosysteme schließt diese Dissertation nicht nur bestehende Lücken im mangelnden, ökologischen Wissen um Quellen, sondern bietet darüber hinaus umfassende übertragbare Einblicke in die Funktionsweise natürlicher Ökosysteme. Darauf basierend ergeben sich spannende weiterführende Fragestellungen, unter anderem zur Rolle von Zufall und skalenübergreifender ökologischer Interaktionen auf die Ausprägung und den Nachweis ökologischer Muster und Prozesse. In der Zusammenschau bietet die Theorie von komplexen adaptiven Systemen die Grundlage für eine generelle ökologische Theorie, die unser Verständnis um die Funktionsweise von natürlichen Ökosystemen deutlich bereichern kann.