Doktorarbeit
Anthropogenic biodiversity changes and altered biogeographic patterns on islands
Anna Walentowitz (10/2019-11/2022)
Betreuer: Carl Beierkuhnlein, Lisa Hülsmann
Aktuelle Biodiversitätsmuster auf Inseln sind das Resultat eines komplexen Zusammenspiels natürlicher und anthropogener biogeografischer Einflussfaktoren. Die Entstehungsgeschichte von Inseln, ihre Größe, Topografie, Isolation und latitudinale Lage, sind nur einige Parameter, die das spezifische Vorkommen von Arten auf Inseln bestimmen. Über Jahrtausende und -millionen haben sich so einzigartige insulare Ökosystemen und Artengemeinschaften entwickelt. Seit der weltweiten menschlichen Besiedlung haben Inseln jedoch eine zusätzliche Dimension des Wandels erfahren. Natürliche Landschaften werden zunehmend in landwirtschaftliche Flächen und Siedlungen umgewandelt. Infrastruktur fragmentiert Ökosysteme, natürliche Ressourcen werden ausgebeutet und das Klima verändert sich mit immenser Geschwindigkeit. Pflanzen- und Tierarten werden weltweit absichtlich oder versehentlich aus ihren natürlichen Verbreitungsgebieten transportiert und gelangen auf diese Weise auch auf Inseln, auf denen sie gebietsfremd sind. Angesichts der anhaltenden Veränderung natürlicher Ökosysteme im Anthropozän ist es von grundlegender Bedeutung, die Auswirkungen natürlicher Faktoren auf Biodiversitätsmuster von menschlichen Veränderungen zu unterscheiden. Im Zusammenhang mit dem globalen Biodiversitätsverlust ist die Entflechtung von Wirkungsmechanismen und Kausalitäten, welche insulare Biodiversität beeinflussen, für ein besseres Verständnis der natürlichen langfristigen ökologischen und evolutionären Prinzipien in unserer sich schnell wandelnden Welt unerlässlich. Diese Doktorarbeit widmet sich der Untersuchung vielseitiger inselbiogeographischer Muster und ihrer Entstehung im Anthropozän. Die präsentierten Manuskripte bauen auf dem Vermächtnis vorheriger Forschung im Bereich der Inselbiogeografie auf. Inseln werden dabei als Mikrokosmen oder natürliche Laboratorien genutzt, um biogeografische Theorien zu entwickeln, zu testen, und zu hinterfragen. So erweitert die in dieser Doktorarbeit präsentierte Forschung unser Wissen über spezifische Aspekte der natürlichen sowie der vom Menschen beeinflussten Biodiversität. Diese Arbeit befasst sich somit mit dem sogenannten Hookerschen Defizit der Biodiversitätsforschung (engl. Hookerian shortfall). Dieses beschreibt die Problematik ob Inselökosysteme trotz anthropogener Überprägung für Biodiversitätsforschung genutzt werden können. Der erste Teil der zugrunde liegenden Arbeit umfasst biogeografische Studien basierend auf multiplen Inselsysteme. Die hierfür analysierten Referenzsysteme sind küstennahe, kontinentale und ozeanische Inseln weltweit. Hierbei werden anthropogene Aspekte einbezogen, um die klassische Theorie der Inselbiogeografie weiterzuentwickeln. Ein Novum ist die Verknüpfung funktioneller Aspekte, hier speziell Verbreitungsmechanismen von Pflanzen, mit der biogeografischen Inseltheorie, unter Einbezug anthropogener Veränderung der Biodiversität auf Inseln. Eine globale paläoökologische Studie über langfristige Verläufe der zeitlichen Entwicklung gebietsfremder Pflanzen weist auf ein frühes Vorkommen solcher Arten (vor 1000 Jahren) auf Inseln hin, welches von wissenschaftlichen Aufzeichnungen (maximal 500 Jahre) divergiert. Diese Arbeit leistet eine Diskussionsgrundlage für die Existenz von neuartigen Ökosystemen (engl. novel ecosystems) und kann als Referenzstudie für Ökosystemrestauration und Naturschutz auf Inseln dienen. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden Fallstudien mit Fokus auf spezifische Aspekte der kontemporären Inselbiodiversität vorgestellt. Die Untersuchungsgebiete sind hierbei die Kanaren und die Galápagos- Inseln. Diese Archipele wurden von der Autorin für ökologische Feldarbeiten besucht. Dabei den wissenschaftlichen Spuren von Alexander von Humboldt und Charles Darwin zu folgen, deren Entwicklung ökologischer und evolutionärer Theorien von diesen Inselsysteme inspiriert wurde, ist ein enormes Privileg. In den dargelegten Untersuchungen werden biogeographische Muster gebietsfremder Pflanzenarten und deren Auswirkungen auf die heimische Vegetation analysiert. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Wiederherstellung ursprünglicher Ökosysteme, um nachteilige Auswirkungen eingeführter Neobiota auf endemische Arten zu mindern. Darüber hinaus werden natürliche insulare Biodiversitätsrefugien auf den Kanarischen Inseln hinsichtlich des Geodiversitäts-Biodiversitätszusammenhangs untersucht. Diese Refugien sind wichtige Referenzgebiete in einer Welt, die stark durch menschliche Aktivität beeinflusst ist. Ein umfassendes floristisches Gesamtwerk der Kanarenflora als Referenz für biogeografische, ökologische und evolutionäre Studien ergänzt diesen Abschnitt. Die vorliegende Doktorarbeit leistet einen Beitrag zum verbesserten Verständnis insularer Biodiversitätsmuster im Anthropozän. Die Fortschritte beziehen sich auf die Berücksichtigung anthropogener Einflüsse auf Artverbreitungen, den Einbezug funktionaler Aspekte in die biogeografische Inseltheorie und die Rekonstruktion temporärer Biodiversitätsveränderungen. Generell ist die Berücksichtigung anthropogener Biodiversitätsveränderungen in der Inselbiogeografie eine zukünftige Herausforderung. Meine Arbeit leistet einen Beitrag zu einem verbesserten Verständnis von historischen und aktuellen Biodiversitätsmustern auf Inseln.